Familienheim – „Unverzügliche“ Selbstnutzung trotz langer Handwerkerwartezeiten?

Eltern können eine selbstbewohnte Immobilie erbschaftsteuerfrei an ihre Kinder vererben, sofern die Immobilie eine Wohnfläche von maximal 200 qm hat und die Kinder sie zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmen. Diese Steuerbefreiung setzt voraus, dass die Bestimmung zur Selbstnutzung „unverzüglich“ und ohne schuldhaftes Zögern erfolgt.

Wie schnell die Kinder das Objekt selbst nutzen müssen, hat der Bundesfinanzhof (BFH) näher untersucht. Im Streitfall hatte eine Tochter die geerbte Wohnung ihrer Mutter zunächst entrümpelt und dann umfassend saniert. Zwischen Todestag und Einzug lagen eineinhalb Jahre, was Finanzamt und Finanzgericht (FG) als zu lang ansahen. Das FG urteilte, dass die Tochter die Wohnung nicht unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt habe.

Im Prozess machte die Tochter geltend, die lange Dauer bis zum Einzug sei darauf zurückzuführen, dass zunächst der umfangreiche Hausstand der Mutter habe ausgeräumt und verkauft werden müssen. Für die Durchführung der Sanierungsarbeiten hätten Handwerker organisiert werden müssen, die aufgrund voller Auftragsbücher aber schwer zu beschaffen gewesen seien. Bereits die Termine für die Ortsbesichtigungen hätte man ihr nur nach erheblicher Wartezeit zu zugesagt.

Daran hätten sich lange Wartezeiten für Kostenvoranschläge und bei den Auftragsabwicklungen angeschlossen. Sie selbst habe zudem eine Hüftgelenksarthrose gehabt, so dass sie über viele Wochen gesundheitlich sehr angeschlagen gewesen sei.

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und entschieden, dass das Gericht die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung zu vorschnell verworfen habe. Für eine „Unverzüglichkeit“ genüge es bereits, wenn der Erblasser den Baufortschritt angemessen fördere. Er müsse keinen unverhältnismäßigen Aufwand betreiben, um den Baufortschritt zu beschleunigen, sondern nur die zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um unangemessene Bauverzögerungen auszuschließen. Regelmäßig gelte ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten nach dem Erbfall noch als angemessen. Allerdings könne auch ein längerer Zeitraum anerkannt werden, wenn der Erbe glaubhaft machen könne, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug nicht früher möglich gewesen sei. Sofern er Handwerker unverzüglich beauftrage, diese aber nicht früher tätig werden könnten, könne ihm dieser Umstand nicht angelastet werden. Auch gesundheitliche Hinderungsgründe müssten berücksichtigt werden.

Das FG muss den Fall daher neu prüfen und sich eingehender mit den vorgebrachten Gründen für die verzögerte Selbstnutzung beschäftigen.

Hinweis: Zur Beweisvorsorge kann es sinnvoll sein, ein Bautagebuch zu führen. Daraus kann später abgeleitet werden, wann ein stockender Baufortschritt beispielsweise wegen Lieferengpässen oder Handwerkermangels nicht selbst zu vertreten war.